Neukirch, Deutschland | bitter-scharfer Kräuter | 36 % Vol | 23 Euro / 0,7 l |
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„Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.“, ist das erste, was mir durch den Kopf schießt, als der wieder so langsam einen klaren Gedanken fassen konnte. Aber der Reihe nach! Samstag Abend und im Freundeskreis steht mal wieder eine Feierlichkeit an. Ein guter Anlass, um seine Lieblingsdrinks zu mixen oder neues auszuprobieren. Das diabolische Lachen, dass den Satz „Floh, lass eben einen Kurzen trinken, wir haben genau den richtigen Schnaps für dich!“ bei meinem Eintreffen begleitet, hätte mich aber vorsichtig machen sollen. Schnell sind die Pintchen verteilt und mit einer, mir unbekannten, bräunlichen Flüssigkeit gefüllt. Kurzer Geruchstest: Aha, ein Kräuter. Bitter vermutlich. Etwa 5-10 Minuten später freue ich mich langsam wieder Herr meiner Sinne zu sein, während die heitere Runde um mich herum sich an meinen Qualen ergötzt. Aber was ist das eigentlich für ein Teufelszeug gewesen?
Essacher Luft kommt aus Neukirch in der Nähe vom schönen Bodensee, Oberschwaben. Landschaftlich reizvoll, bergig und kernig – Ein Kräuter ist Tatsache, die erste Assoziation, die ich im Kopf habe. Die „Luft“ wird auf dem Biolandhof ‚Schupp‘ in „verhältnismäßig kleiner Stückzahl“ (Zitat: Vertrieb) produziert und „wird gerne als Partygag bezeichnet […]“. Viel mehr Informationen findet man darüber auch nicht in den Weiten des Internets, ausser diverser Youtube-Videos ahnungsloser ‚Tester‘ und deren Reaktionen. Bleibt also vorerst nur der Verweis auf die Kurzbeschreibung des Vertriebs.
„Seine Popularität erreichte dieses mystische Produkt wegen seiner unvergleichbaren Schärfe: Ein kleiner Schluck und in Mund, Gurgel und Hals brennt das Feuer der wahrhaftigen Hölle. Es gibt meines Wissens keine schärfere, heftigere und durchschlagendere Spirituose im regionalen und überregionalen Raum. Essacher Luft knallt durch den menschlichen Organismus wie die sprichwörtliche ‚Katze am Strick‘.“
http://www.ruess-edv.com/hermes/was_ist_essacher_luft.htm
Rein optisch unterscheidet sich die Essacher Luft nicht von anderen Kräuterschnäpsen oder Obstlern. Eine recht schmucklose, leicht strukturierte und langhalsige Weißglasflasche mit Schraubdeckel. Dazu ein einfach gehaltenes Etikett, klassischer Stil „Hausabfüllung“. Auf dem Etikett finden sich keine Überraschungen – „Deutsches Erzeugnis“, Name, Geschmacksrichtung („bitter-scharf“), Alkoholgehalt und Adresse des Abfüllers. Dazu ein Foto in schönem Technicolor-2 von einem…ja…Hexenhaus?! Verwinkelt und verziert mit allerhand gruseligen Gestrüpp und Figuren – in der Runde fiel das Zitat: „In der Hausdeko wurden doch tote Kinder eingebastelt.“ Naja, soll vielleicht auf den folgenden Grusel vorbereiten. Der Schnaps an sich hat eine unspektakuläre bernsteinfarbene Färbung.
Ebenso unspektakulär ist der Geruch. Im ersten Moment ein klassischer Kräuter mit einer bitteren Note. Auch ein wenig medizinisch. Underberg, ick hör dir trapsen. Etwas Ungewöhnliches ist noch nicht herauszuriechen – angenehm ist aber auch anders.
Der erste Eindruck im Mund: Bitter, sehr bitter. Leider fehlt komplett die Zeit, sich über die einzelnen Geschmacksnuancen ein Bild zu machen, denn nur Millisekunden nach der oralen Einnahme schießt einen das Feuer der Hölle direkt in sämtliche Geschmacksnerven und sonstige Aufnahmeventile. Essacher Luft ist scharf. Barbarisch scharf. Und zwar in einer Schärfe von der penetranten Sorte. Sie kriecht in alle Winkel des Mundes und setzt sich da fürs Erste fest. Die ersten Reaktionen meines Körpers (neben Geröhre wie ein brünftiger Elch) waren Hitzeanstieg, Schweißausbrüche und das Gefühl, jeden Moment in Tränen auszubrechen. Die Bitterkeit nimmt der Schärfe ein wenig den chemischen Touch, den „Hot Sauces“ gerne mit sich bringen, es wirkt sehr natürlich. Das heißt, wenn man in der Lage ist, derlei Nuancen zu bemerken – Ich tat mich eher daran, Linderung in Form von Bier, (Soja-)Hackepeter und Milch zu suchen. Da der Geschmack sich aber auch nach Abklingen der Schärfe noch lange im Mund hält, konnte ich registrieren, dass die ‚Luft‘ im Gesamten kein schlechter Bitter ist, kaum bis garnicht ’sprittig‘ und sehr ‚kräutrig‘ (sofern dieses Wort existiert) – naja, wenn halt nicht diese Besonderheit wär.
Geschmacklich kann ich den Eindruck nur von einem „Kurzen“ beschreiben, da ich dieses Teufelszeug sicherlich kein zweites Mal anrühren werde. Nicht zwingend, weil es sich hierbei um ein Produkt schlechter Qualität handelt (das ist es sicher nicht), sondern weil es mir einfach viel zu scharf ist. Ich bin an sich schon sehr anfällig, was das angeht, aber auch die Toleranteren der Mit-Trinker hatten ordentlich zu kämpfen. Von daher kann ich Menschen mit empfindlicheren Geschmacksknospen nur von abraten. Zum Thema Partygag aber gibt es ein ganz klares „Ja!“ von mir. Für den Abenteurer, aber oder dem Liebhaber des Exotischen kann ich nur eine Empfehlung aussprechen.
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